30 Jahre Würzburger Synode Teil 1

Debatten, Döpfner, Doppelherz - Edeltrud und Walter Hohmann blicken zurück

Foto: Nadine Ortmanns
Foto: Nadine Ortmanns

Erinnerungen an die Würzburger Synode: Edeltrud Hohmann, Synodalin von einst und ab 1972 Bildungsreferentin im Matthias-Ehrenfried-Haus, und ihr Bruder, Prälat Walter Hohmann, bis 1974 Sekretär des Würzburger Bischofs Josef Stangl, blättern im Sonntagsblatt von 1973.

WÜRZBURG. Vor 30 Jahren – genau am 30. November 1975 – ging die „Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland“ zu Ende. Über mehr als fünf Jahre hinweg berieten im Würzburger Dom etwa 300 katholische Frauen und Männer, wie es mit der Kirche in Westdeutschland weitergehen soll. Welcher Wind wehte damals in der Kirche? Was hat die Synode bewirkt, welche Fragen sind offen geblieben? Mit Zeitzeugen von damals sprachen die Sonntagsblatt-Mitarbeiter Nadine Ortmanns und Florian Kluger. Den Anfang dieser kleinen Serie machen in dieser Ausgabe Edeltrud Hohmann, ab 1972 Bildungsreferentin im Matthias-Ehrenfried-Haus, und ihr Bruder Prälat Walter Hohmann, bis 1974 Sekretär des Würzburger Bischofs Josef Stangl.

 

68er-Bewegung, antiautoritäre Erziehung, sexuelle Revolution, Vietnamkrieg: In den späten 60er Jahren brodelt es in der deutschen Gesellschaft – und auch in der katholischen Kirche. Die Enzyklika „Humanae vitae“ von Papst Paul VI., in der er sich weiterhin gegen empfängnisverhütende Mittel ausspricht, erhitzt die Gemüter. Die deutschen Bischöfe reagieren prompt: In der „Königssteiner Erklärung“ bemühen sie sich, die Wogen zu glätten, und weisen auf die Gewissensentscheidung der Eheleute hin. In dieser Diskussion wird die wachsende Diskrepanz zwischen der Lebenspraxis der Menschen und der kirchlichen Lehre offenbar. Auf dem Essener Katholikentag 1968 wird deutlich, dass die katholische Kirche vor allem die jungen Menschen nicht mehr erreicht. Der ehemalige Bischofssekretär Walter Hohmann erinnert sich, dass Bischof Stangl, damals deutscher Jugendbischof, durch rhythmisches Ho-Chi-Min-Klatschen tausender junger Leute von der Bühne vertrieben wurde. „Das war kein Beifall. Die wollten Bischof Josef sagen: Du alter Mann, schau, dass du verschwindest, wir wollen dich nicht mehr hören“, erzählt Walter Hohmann. Auf diesem Katholikentag wird der Wunsch laut, eine Pastoralsynode nach niederländischem Vorbild einzuberufen. Die Deutsche Bischofskonferenz greift diesen Vorschlag auf und fasst nicht mal ein halbes Jahr später den Beschluss, eine „Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland“ abzuhalten.

 

Spannungen in der Kirche

 

Doch schon im Vorfeld zeichnen sich Spannungen ab: Auf der einen Seite konservative Kreise wie „Bewegung für Papst und Kirche“, die das Wesen der Kirche gefährdet sehen; auf der anderen Seite progressive Gruppen wie die „Arbeitsgemeinschaft Synode“, die die Kirche an den Zeitgeist anpassen wollen. Auch während der Synode brechen diese Konflikte immer wieder auf. Prälat Hohmann, während der Synode für die liturgischen Feiern mitverantwortlich, erinnert sich, dass die Grabenkämpfe innerhalb der Kirche auch dem Synodenpräsidenten Kardinal Julius Döpfner zugesetzt haben. Ein Erlebnis ist Hohmann besonders im Gedächtnis geblieben. Beim Frühstück im Würzburger Bischofshaus habe Döpfner zu Bischof Stangl gesagt: „Josef, du hast keine Ahnung, welchen Bammel ich habe, zur Vollversammlung zu gehen.“ Döpfner sei innerlich manchmal „ein zerrissenes Kind“, nach außen jedoch gelassen gewesen. „Dann hat er wieder an seiner Zigarre gezogen, Kaffee getrunken und danach die Sache wieder grandios geleitet“, bewundert Hohmann gleichermaßen Menschlichkeit und Führungsstärke des Kardinals.

Edeltrud Hohmann war erst ab der zweiten Vollversammlung im Mai 1972 dabei. Ihr erster Eindruck: „Es kriselt nur noch in der Kirche Christi.“ Massiver Streitpunkt war das Vorgehen der Bischöfe: Ohne Rücksprache mit den Synodalen hatten sie beschlossen, dass die Synode nicht über die Zulassung bewährter verheirateter Männer („viri probati“) zum Priesterdienst diskutieren darf. In einer Debatte griffen einige Laien die Bischöfe deswegen scharf an. Der Rottenburger Weihbischof Georg Moser entschuldigte sich daraufhin im Namen der Bischöfe. Dennoch wurde das Thema während der ganzen Synode nicht behandelt.

 

Der Würzburger Schoppen

 

Die Blockbildung „Laien gegen Bischöfe“ hat sich im Laufe der Jahre aufgelöst. „Persönlichkeiten wie die damaligen Professoren Lehmann, Rahner und Kasper haben oft zwischen Bischöfen und Laien vermittelt“, sagt Prälat Hohmann. So habe sich das Klima in den Jahren gewandelt. „Es hat sich von einem Gegen- zu einem Miteinander entwickelt. Wir Synodalen haben gelernt, aufeinander zu hören“, erzählt Edeltrud Hohmann. Sie habe „lebendige Kirche“ erlebt. „Einen gehörigen Anteil am guten Gelingen haben Präsident Döpfner, die geistliche Dimension und wohl auch der Würzburger Schoppen gehabt“, fügt ihr Bruder mit einem Lächeln hinzu.

Die ehemalige Bildungsreferentin im Matthias-Ehrenfried-Haus, Edeltrud Hohmann, arbeitete vor allem in der Unterkommission für das Synodenpapier „Ziele und Aufgaben kirchlicher Jugendarbeit“ mit. Dies habe für sie neben ihrer neuen Arbeit als Bildungsreferentin einen enormen Zeitaufwand bedeutet. Doch sie habe Glück gehabt: „Ehrenamtliche Synodalen mussten dafür extra Urlaub nehmen.“ In einem Artikel im Sonntagsblatt hat sie 1973 die „schwierige Sprache der Fachtheologen“ bemängelt. An diese Diskussionen in den Unterkommissionen erinnert sich Edeltrud Hohmann heute noch. „Man tat sich schwer, wenn man selbst nicht Theologie oder Philosophie studiert hatte“, erzählt sie.

Ein Schlaglicht war für sie die Verabschiedung des Beschlusses zur kirchlichen Jugendarbeit: 241 Synodale stimmten dafür, nur zwölf dagegen. Der BDKJ hatte vor der Abstimmung weiße Taschentücher verteilt mit der Aufschrift „Erinnern Sie sich noch, Sie wollten doch der Synodenvorlage über kirchliche Jugendarbeit zustimmen!“ Solche pfiffigen Aktionen des Jugendverbandes sind Edeltrud Hohmann gut im Gedächtnis geblieben. So hätten die Jugendlichen schon zur ersten Lesung des Textes kleine Flaschen „Doppelherz“ verteilt mit dem Hinweis „Unser Papier erfordert ihre Spannkraft und Konzentration“.

 

"Viele gute Papiere"

 

Nach acht Vollversammlungen mit jeweils vier Sitzungstagen während eines Zeitraums von fünf Jahren waren viele Synodalen gelöst: „Freude einerseits darüber, dass das Ergebnis so gut, andererseits, dass die Synode endlich vorbei war“, führt Edeltrud Hohmann die Stimmung vor Augen. Sie ist zufrieden mit dem, was herausgekommen ist. Ihr Bruder Walter Hohmann richtet den Blick auf die Zeit nach der Synode bis heute: „Wir haben viele gute Papiere, die sicherlich noch nicht alle mit Fleisch und Blut gefüllt sind.“ Da wären zum einen die Voten – das sind Vorschläge, die zur Entscheidung nach Rom gegangen sind –, wie beispielsweise zum Diakonat der Frau. Rom hat bislang nicht geantwortet. Zum anderen seien Themen wie die Predigt von Laien in der Messe heute immer noch aktuell. „Die Probleme sind nicht gelöst, es herrscht immer noch Unbehagen“, meint Edeltrud Hohmann, die sich außerdem eine stärkere Einbindung von Frauen in kirchlichen Führungspositionen wünscht.

 

Die Beschlüsse umsetzen

 

Welche Themen aber wären wichtig, wenn im Herbst eine neue Synode stattfände? „Deutschland als Missionsland, Vielfalt der kirchlichen Berufsbilder und Ökumene“, müssten für die Geschwister auf jeden Fall auf die Tagesordnung. Aber Prälat Hohmann fordert: „Wir brauchen im Moment keine Synode, wir müssen die alten Beschlüsse erst wirklich auf diözesaner Ebene umsetzen.“

 

Florian Kluger/Nadine Ortmanns

 

Die Würzburger Synode im Überblick

 

Veröffentlicht: Florian Kluger/Nadine Ortmanns, Debatten, Döpfner, Doppelherz,  in: Würzburger katholisches Sonntagsblatt Nr. 43 vom 23.10.2005, 30f.